60 Jahre Reichspogromnacht - Deutsch-Israelische Jugendtagung: "Neue Brücken bauen - Jugend gestaltet Zukunft"
„Es war ein ergreifendes einmaliges Erlebnis, nie in meinem Leben werde ich diese Tage vergessen.“ So der Abschlussgedanke einer Teilnehmerin der deutsch-israelischen Jugendtagung.
Zusammengekommen waren 60 Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen und aus Israel, um sich dem Thema „Holocaust“ zu widmen. Wie kam es dazu?
In einem gemeinsamen Aufruf hatten das Ministerium für Schule und Weiterbildung und das ehemalige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Jugendliche, Schüler, Schülerinnen und junge Erwachsene zur Mitarbeit an dem Projekt „NRW-Israel 1998: Wege zur Verständigung - Brücken bauen“ aufgefordert. Niemand hatte bei der Planung damit gerechnet, dass der Aufruf auf ein so großes Interesse stoßen würde. Insgesamt 752 Jugendliche haben geforscht, recherchiert, Zeitzeugen befragt, sind Spuren nachgegangen, waren selbst in Israel und haben Kontakte geknüpft, und 117 Themenbeiträge verfasst.
Das Projekt bot mit drei Themenbereichen genügend Spielraum für eigene Ideen.
Abschluss und Höhepunkt war die Jugendtagung vom 18.-22.06.1998 in der dbb-Jugendbildungsstätte in Bad Münstereifel (NRW).
Es war von Anfang an eine spannende Sache:
Wie gehen Jugendliche heute um mit der gemeinsamen Vergangenheit, dem Holocaust? Welches Verhältnis haben deutsche und israelische Jugendliche zueinander?
Die gemeinsamen Tage waren geprägt von einem vorsichtigen „Sich-Nähern“, von dem Willen zur Verständigung und von einer offenen und herzlichen Atmosphäre.
So gelang es auch recht schnell, schwierige Themen und Vorbehalte anzugehen.
Am ersten Tag der Veranstaltung tagten die drei Arbeitsgruppen analog zum Aufruf der Ministerien zu den Themen:
· Die Bedeutung der Judenverfolgung für die heutige Generation: Juden und Nichtjuden
· Jüdisches Leben in Deutschland
· Das deutsch-israelische Verhältnis
In diesen drei Arbeitsgruppen unter professioneller israelisch-deutscher Leitung stellten die Jugendlichen die Ergebnisse der eigenen Untersuchung vor und diskutierten übergreifende Themen. Sie reflektierten auch immer wieder die eigenen Bilder und Vorstellungen von der jeweils anderen Geschichte und Kultur.
Die persönliche Betroffenheit bei Fragen „Was hat denn dein Großvater, deine Großmutter gemacht?“ blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Emotionen. Tränen flossen nicht nur aus Verzweiflung, sondern mehr noch aus Verständnis füreinander und gegenseitiger Empathie.
Gemeinsam gestaltete Abende sorgten für die notwendige Entspannung nach den arbeitsintensiven Tagen, die neben sachbezogenem auch persönliches Engagement erforderte.
Es wurde von den Ängsten gesprochen, die die Jugendlichen hatten, nach Deutschland oder Israel zu fahren. Weil eine solche Reise mehr bedeutet, als nur in ein fremdes Land zu fahren.. „Für mich ist ein Jugendaustausch nach Deutschland etwas ganz anderes, als nach Frankreich zu fahren“, sagte eine israelische Teilnehmerin. Und das haben alle so gesehen.
Dr. Johannes Heil vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin stand als Referent und kompetenter Gesprächspartner zur Verfügung, als es darum ging, gemeinsame Überlegungen für das künftige deutsch-israelische Verhältnis zu entwickeln und Thesen zu formulieren.
Im Vordergrund seiner Seminareinheit stand die Erarbeitung der Vorstellung deutscher und israelischer Jugendlicher zu den Themenaspekten:
* Ausbildungssystem,
* Stellenwert der Religion, politisch-gesellschaftliches Leben/Kräfteverhältnisse in Deutschland und Israel
* Problem der Minderheiten,
* Vorstellung von der EU und ihrer Rolle im Nahen Osten.
Darüber hinaus diskutierte die Gruppe „Zukunftsvisionen der deutsch-israelischen Beziehung“.
Die jugendlichen Teilnehmer zeigten ein ausgesprochenes Gespür für geschichtliches Empfinden. Die bange Frage: „Was verbindet uns, wenn die gemeinsame Vergangenheit als Klammer wegfällt, weil die Geschichte sich aus unserem Blickfeld entfernt?“ wurde mit der gemeinsamen Aufgabe für Friedenssicherung beantwortet. Diese Friedenssicherung schließt auch die Konflikte im Nahen Osten ein.
Die Jugendlichen kritisierten den oft allzu ritualisierten Umgang mit der Historie. Ihre Forderungen waren eindeutig geprägt von dem eigenen Umgang mit erlebten und gehabten Vorurteilen. Erst die persönlichen Kontakte und das Kennenlernen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ermöglichte ihnen, diese vorgefassten Meinungen zu revidieren. Es war eine arbeitsreiche Tagung, an deren Ende eine Zehn-Punkte-Resolution stand.Deutschland und Israel verbindet eine grauenvolle Zeit. Die Jugendlichen von heute führen uns vor Augen, dass es für die Zukunft gemeinsame Wege der Verständigung gibt. In dem Bewusstsein, die Vergangenheit nicht zu vergessen, aber für die Zukunft neue Brücken zu bauen, nahmen die Jugendlichen Abschied voneinander. Wohlwissend, dass sie dank der vielfältigen Möglichkeiten, wie z.B. Internet, in Kontakt bleiben und ihre Freundschaften pflegen werden. Dies zeigten auch die gemeinsamen Abende. Sei es, dass ein deutsch-israelischer Liederabend oder die gemeinsame Feier des Sabbat Anlass gab, das Verständnis füreinander zu intensivieren. Auch der gemeinsame Besuch des „EL-DE-Hauses“ in Köln ermöglichte einen leichteren Zugang zu den schwierigen Themenbereichen. Ein Höhepunkt der Tagung war sicherlich die zentrale Abschlussveranstaltung mit ca. 800 geladenen Gästen in der Stadthalle Wuppertal mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten von NRW und aktuellen Bundespräsidenten, Dr. h.c. Johannes Rau.Die Teilnehmer zogen fröhlich singend und klatschend in die Stadthalle ein. Mit der Melodie von „Hevenu Shalom alechem“ erregten sie die Aufmerksamkeit der gesamten Gäste.Nach kurzer Zeit sangen und klatschten die zahlreichen Ehrengäste begeistert mit. Die Unbekümmertheit und freundliche Spontaneität der Jugendlichen zog alle in ihren Bann. Da es sich um eine internationale Veranstaltung handelte, wurde das Lied sowohl in deutsch „Wir wollen Frieden für alle“ wie auch in englisch „We want peace for the world“ gesungen.Auf der Veranstaltung nutzen die Jugendlichen ihre Chance, um dem Knesset-Abgeordneten Emanuel Sismann und Dr. Albert Harms vom Jugendministerium NRW die 10-Punkte- Resolution zu überreichen, die ihre Forderung nach weiteren Jugendbegegnungen unterstrich.Auf einem Empfang der Schulministerin Gabriele Behler wurde die Dokumentation des Projektes, das Buch „Brücken in die Zukunft - NRW/Israel 1998 - ein Jugendprojekt“ vorgestellt. Diese Buch dokumentiert auf über 170 Seiten die verschiedensten Aktivitäten und Arbeiten der Jugendlichen aus beiden Ländern.Anschaulich und von regem Interesse war die im Foyer aufgebaute Ausstellung mit ausgesuchten Werken der Projektreihe. Neben Collagen und Bildern waren Videofilme zu sehen, oder der maßstabgetreue Nachbau eines Hauses mit Versteckten der jüdischen Mitbürger/innen während der Naziverfolgung. Sämtliche Arbeiten zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema.Die anschließende einfühlsame Präsentation der Arbeiten der Jugendlichen bildete einen würdigen Abschluss.In seiner Festrede ging Bundespräsident Dr. h.c. Johannes Rau auf die schwierigen Beziehungen von Deutschen und Israelis ein, auf ein Verhältnis, das sich langsam entwickeln musste, und das in der Vergangenheit wie in der Gegenwart von der Jugend beider Staaten positiv beeinflusst und getragen wird.Mit diesem erfolgreich verlaufendem Projekt hat sich einmal mehr gezeigt, dass internationaler Jugendaustausch ein bewährtes Instrument ist, das Zusammenwachsen und Kennenlernen von jungen Menschen über nationale und kontinentale Grenzen hinweg zu fördern.Die Jugend beider Länder hat sich auf dieser Veranstaltung die Hände gereicht, für ein besseres Verständnis und eine bessere Zukunft der Völker.Oder, wie sie beim Einzug in die Stadthalle gesungen haben: „Shalom, Friede, Peace“.

Ein Lied kann eine Brücke sein

Miteinander verbunden - Jugendliche aus Israel und Deutschland

Simultan-Übersetzung und Kopfhörer ...

Shalom - Frieden - Peace

... erleichtern die Verständigung

Engagierte und lebendige Jugendliche machten die Tagung zu einem besonderen Erlebnis
Projektsteckbrief
Organisation
Deutsche Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw)
Deutsche Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw)
Projektart
Fachkräftaustausch
Fachkräftaustausch
Zeitraum
06/1998 - 06/1998
06/1998 - 06/1998
Veranstaltungsort
Bad Münstereifel
Bad Münstereifel
Kooperationspartner
Union of Local Authorities (ULA)
Union of Local Authorities (ULA)
Kooperationstyp
bilateral
bilateral
Organisation
Deutsche Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw)
Karlstraße 2
40120 Düsseldorf
Deutschland
Internet: http://www.dbbjnrw.de/
Anprechperson: Markus Klügel und Angelika Kanters
Telefon: 0211-35 59 28-0
E-Mail: mail@dbbjnw.de